Cape Canaveral - Die Liste der Alpträume, die Insassen einer Raumstation befallen können, ist lang. Weltraumschrott könnte die Außenhaut durchschlagen, Atemluft ins All entweichen, die Steuerung ausfallen, und die Station zur Erde stürzen. Oder das Klo könnte den Dienst versagen. Letzteres ist nun geschehen: Alles, was in die Hightech-Schüssel an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) fällt - oder besser: schwebt -, bleibt genau dort. Die Pumpe saugt nicht mehr.
Das Bauteil stammt aus Russland, ist also quasi automatisch mit dem Image des Unverwüstlichen gesegnet. Seit sieben Jahren saugt und pumpt sie klaglos, nur einmal gab es ein Problem, und das konnte die ISS-Besatzung selbst beheben. Dieses Mal aber herrscht auch bei den russischen Konstrukteuren Ratlosigkeit. Als ein Besatzungsmitglied in der vergangenen Woche das stille Örtchen nutzte, fiel ein Motor aus. Warum, weiß niemand. Seitdem herrscht drückende Stille über der ISS-Toilette.
Am Boden arbeitet man fieberhaft an der Lösung des Problems. Die US-Raumfahrtbehörde Nasa hat in aller Eile damit begonnen, andere Teile aus der Raumfähre "Discovery" wieder auszuladen, die am Samstag um 23.02 Uhr MESZ zur ISS starten soll. Ein Nasa-Mitarbeiter eilte von Russland nach Florida, um die Pumpe und dazugehörende Geräte zum Raumfahrtzentrum Cape Canaveral zu bringen. Sie kamen als Diplomatengepäck deklariert in eine russische Linienmaschine.
Ein funktionierendes stilles Örtchen sei im All ebenso wichtig wie auf der Erde, sagte Nasa-Sprecher Allan Beutel. Das dürfte untertrieben sein, denn im Unterschied zu Besitzern irdischer defekter Toiletten können Astronauten nicht mal eben vor die Tür gehen, um sich Erleichterung zu verschaffen. Die Astronauten haben sich laut Nasa zunächst mit einer Toilette der "Sojus"-Landekapsel beholfen, die allerdings nur eine sehr geringe Kapazität hat. Inzwischen nutzen sie ein Behelfssystem, doch auch das kann nicht dauerhaft funktionieren.
In Cape Canaveral setzt man derweil harte Prioritäten. Ersatzteile unter anderem für den Sauerstoffgenerator der ISS sowie ein Gerät zur Abtötung von Mikroben für das europäische Raumlabor wurden aus dem Laderaum der "Discovery" geworfen, um Platz zu schaffen für die neue Pumpe. "Für uns hat eine funktionierende Toilette absolute Priorität", sagte der für die Beladung zuständige Nasa-Manager Scott Higginbotham. "Da können einige Dinge, die wir in den nächsten sechs Monaten nicht unbedingt brauchen, warten."
Für die ISS-Astronauten bleibt zu hoffen, dass sich der Start der "Discovery" nicht obendrein noch verzögert. Bislang sieht es nach gutem Wetter aus, die Chancen auf einen Start liegen bei 80 Prozent. Die eigentliche Hauptaufgabe der "Discovery" ist übrigens die Lieferung des japanischen Weltraumlabors "Kibo" zur ISS. Der Name dürfte der Stationsbesatzung gefallen: Er bedeutet "Hoffnung".
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.