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Im Jahr 2016 verbrauchte jeder Deutsche durchschnittlich 123 Liter Wasser pro Tag. Das entspricht dem Volumen einer Standard-Badewanne. Die Kläranlage Tiengen befreit das verbrauchte Wasser von beinahe allem, was mit ihm gemeinsam im Abfluss verschwindet. Das Netz des Abwasserzweckverbands westlicher Klettgau erstreckt sich bis nach Obermettingen, Nöggenschwiel und Tiefenhäusern. 17 Pumpwerke und Regenüberlaufbecken gehören zum Kanalnetzwerk. Abhängig vom Wetter, treffen in der zwischen der Wutach und dem Industriegebiet Kaitle gelegenen Kläranlage täglich zwischen 4000 und 35 000 Kubikmeter Abwasser ein. Das sind zwischen 533 000 und 4,7 Millionen durchschnittliche Toilettenspülvorgänge bei einer Standard-Spülkasten-Füllmenge von 7,5 Litern – am Tag.
In der gesamten Anlage befinden sich jederzeit etwa 20 000 Kubikmeter Wasser. Das entspricht einer Füllmenge von rund elf Tiengener Freibädern oder rund 167 000 standardmäßigen 120-Liter-Badewannen. Das Wasser verbleibt rund vier Tage in der Kläranlage, bevor es gereinigt in die Wutach zurückgeführt wird. Die Anlage ist auf 50 000 Einwohner ausgelegt. Zurzeit ist sie mit umgerechnet 46 000 Einwohnern fast ausgelastet. 25 000 von ihnen sind real. Das Abwasser aus der Industrie sowie das Regenwasser entsprechen weiteren 21 000 rechnerischen Personen. Apropos Regenwasser: Sobald mehr Wasser im Kanalnetz ankommt, als die Kläranlage verarbeiten kann, wird es in Regenüberlaufbecken zwischengestaut. Das größte befindet sich mit einem Volumen von 1000 Kubikmetern (8333 Badewannen) direkt an der Wutach in der Nähe der Molkereistraße unter einem Reitplatz.
Ist das Wasser in der Kläranlage angekommen, fließt es durch einen Zehn-Millimeter-Rechen. Hier wird es von durchschnittlich 1,5 Kubikmetern an Feststoffen am Tag befreit, inklusive erheblicher Mengen an Essensresten und Hausmüll sowie gelegentlichen Gebissen, Eheringen, Schmuck oder anderen (Wert-)Gegenständen, wie zum Beispiel Geld. Im nachfolgenden Sand- und Fettfang durchfließt das Wasser zügig zwei lange Becken. Sand und Steine, die mit dem Regenwasser mitgespült werden, setzten sich am Grund ab. Fette und Öle, welche leichter als Wasser sind und oben aufschwimmen, werden von der Oberfläche abgeschöpft.
Im großen Vorklärbecken, das zurzeit umgebaut und im Frühjahr fertiggestellt wird, verbleibt das Wasser verhältnismäßig lange und fließt mit nur wenigen Zentimetern pro Sekunde. Organische Feststoffe können sich hier auf diese Weise zum Primärschlamm absetzen. Durch einen Fünf-Millimeter-Rechen gelangt das Wasser in das AN-Becken. Die Tiengener Kläranlage ist eine von wenigen in Deutschland, in der das Wasser biologisch und somit besonders umweltfreundlich von bis zu 65 Prozent der Phosphate, die zum Beispiel aus Düngemittel stammen, befreit wird.
Auf dem Weg dorthin wird das Wasser über ein Wasserrad geleitet, dessen Generator drei Kilowatt Strom erzeugt. Das gereinigte Wasser wird in die Wutach geleitet. Die Kläranlage Tiengen unterschreitet die ununterbrochen kontrollierten zulässigen Höchstwerte an sogenanntem chemischen und biologischen Sauerstoffbedarf zum Abbau aller restlichen organischen Verbindungen deutlich. Der Phosphat-Gehalt zum Beispiel liegt bei 0,6 Milligramm pro Liter. Der Grenzwert liegt bei zwei Milligramm. Dennoch ist das gereinigte Wasser kein Trinkwasser. Es beinhaltet auch weiterhin noch verschiedene Krankheitserreger, Hormone, Medikamentenrückstände und Antibiotika. Wie diese ebenfalls beseitigt werden können, wird zurzeit erforscht.
Und der Schlamm? Täglich werden in der Kläranlage 60 bis 80 Kubikmeter davon in zwei Faultürme geleitet. Spezielle Bakterien verarbeiten ihn bei einer Temperatur von 36 Grad Celsius teilweise in das Gas Methan. Es dient den die drei Blockheizkraftwerken der Kläranlage mit 180, 60 und 40 Kilowatt Leistung als Brennstoff zur Eigenstromproduktion. Der verbleibende Schlamm wird gepresst und getrocknet. Am Schluss besitzt er immer noch einen Brennwert wie Braunkohle. Drei Kilogramm von ihm entsprechen dabei einem Liter Heizöl. Jährlich verkauft die Kläranlage Tiengen 600 Tonnen davon als Brennstoff an Kohlekraft- und Zementwerke.
Alle Systeme der Kläranlage – die meisten automatisiert beziehungsweise computergesteuert – sowie das gesamte Netzwerk mit seinen 17 Pumpwerken, Regenüberlaufbecken und Staukanälen werden von einem einzigen Arbeitsplatz in der modernen, computergesteuerten Schaltwarte aus überwacht und gesteuert.
Wasser ist Lebensader und Lebensraum – bei uns in der Region begegnet uns Wasser auf vielfältige Art und Weise – seien es die 13 Kraftwerke am Rhein, die Brücken und Fähren, idyllische Seen und natürlich auch als Trinkwasser. Welche Rolle das Wasser bei uns für Mensch, die Wirtschaft, Natur, Umwelt und die Entwicklung der Region spielt, wollen wir in unserer Sommerserie beleuchten.
Die Kläranlage Tiengen wurde 1965 im Zuge des Zusammenschlusses des Abwasserzweckverbands Klettgau West erbaut und kostete mitsamt dem benötigten Kanal damals 4,7 Millionen D-Mark. Zwischen 1986 und 1992 wurde sie für 50 Millionen D-Mark umgebaut. 1996 kam das neue Regenrückhaltebecken für 1,6 Millionen D-Mark hinzu und 2002 eine moderne Schaltwarte für 500 000 Euro. 2010 wurde für 2,3 Millionen Euro die Klärschlammtrocknung in Betrieb genommen. Zurzeit befindet sich das neue, 260 Kubikmeter Wasser fassende Vorklärbecken für zwei Millionen Euro im Bau. (Die Klärung beginnt momentan erst im AN-Becken. Durch die Umgehung des Vorklärbeckens ist sie in den nachfolgenden Stufen aufwendiger und weniger kosteneffizient.) Auch wenn die Anlage mit 46 000 von 50 000 Einwohnern fast ausgelastet ist, könnte sie durch die Umstellung auf den üblichen, chemischen Abbau von Phosphaten verhältnismäßig einfach auf eine Kapazität von 75 000 Einwohnern ausgebaut werden. Die gesamte Anlage wird derzeit von nur drei Mitarbeitern betrieben. Ihr Träger ist der Abwasserzweckverband Klettgau West. Die übergeordneten Behörden sind das Landratsamt Waldshut und das Regierungspräsidium Freiburg.
Klaus Buntru ist Technischer Leiter und arbeitet seit 1992 in der Kläranlage Tiengen. Der 60-jährige Elektro- und Abwassermeister aus Stühlingen ist dafür zuständig, dass die Kläranlage funktioniert – und das so kosteneffizient, wie möglich.
Sein Arbeitstag beginnt um 7.30 Uhr. Als erstes inspiziert er in der Schaltwarte die aufgezeichneten Messwerte der vergangenen Nacht. Kurvendiagramme zeigen den Betriebsverlauf, Alarme benachrichtigen über Auffälligkeiten. Sollte es nachts zu einer Störung kommen, wird der zuständige Diensthabende sofort telefonisch informiert. Zu jeder Zeit hat dieser von hier aus die Kontrolle über alle Systeme der Anlage.
Es folgt ein Kontrollgang durch die Anlage. Klaus Buntru achtet auf optische und akustische Auffälligkeiten der Anlagen und ihrer mechanischen Systeme. Ausfälle und Totalschäden von Maschinen können anhand von ungewohnten Geräuschen oder anderen Auffälligkeiten schon im Vorfeld erkannt und bei rechtzeitigem Einschreiten vermieden werden.
Kommt es doch zu einem Ausfall, kümmert sich Klaus Buntru um die Beschaffung von Ersatzteilen. Reparaturen und Wartungsarbeiten führt er nach Möglichkeit selber durch.
Einmal täglich wird eine kleine und einmal wöchentlich eine große Probe des Klärschlamms entnommen und im betriebseigenen Labor untersucht. Sechsmal jährlich führt auch das Landratsamt eigene Kontrollmessungen durch, ob alle Grenzwerte eingehalten werden.
Ebenfalls zu Klaus Buntrus Job gehören die Lehrlingsausbildung und die Büroarbeit, mit Urlaubs- und Bereitschaftsplanung sowie dem Anfertigen von Berichten an das Landratsamt und das Regierungspräsidium Freiburg. Darüber hinaus veranstaltet er Führungen für Schulklassen und Vereine durch die Anlage. „Ich mache meinen Job sehr gerne. Mir ist wichtig, dass die Menschen erfahren, wie eine Kläranlage funktioniert und welchen Beitrag sie leistet“, sagt er. Um 16.15 Uhr hat Klaus Buntru Feierabend. Nach einem abschließenden Kontrollgang überlässt er die Reinigung der Tiengener Abwässer wieder dem Computer.
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