Nicola Baumann und Insa Thiele-Eich sind die Siegerinnen des seit einem Jahr laufenden Auswahlverfahrens "Die Astronautin". Die Kampfpilotin aus Köln und die Meteorologin aus Bonn wurden auserwählt, sich zur Raumfahrerin ausbilden zu lassen.
Doch der Sieg hat einen Haken: Nur eine von ihnen soll noch vor 2020 als erste Deutsche zu einer zehntägigen Forschungsmission zur internationalen Raumstation ISS aufbrechen. Die Doppelkür sei international üblich, erklärt Jury-Mitglied und Ex-Astronaut Ulrich Walter bei der Bekanntgabe der Siegerinnen. Wer erste Wahl sei und wer weiter als Back-up zur Verfügung stehe, werde in der Regel ein Jahr vor dem Start der Mission bekannt gegeben.
Die beiden Frauen hatten sich im vergangenen Jahr gegen mehr als 400 Kandidatinnen durchgesetzt, in der letzten Runde standen noch vier Mitbewerberinnen zur Auswahl: zwei Ingenieurinnen, eine Raumfahrttechnikerin und eine Astrophysikerin.
Alle sechs hatten die medizinischen Tests bestanden, in Bewerbungsgesprächen und Rollenspielen überzeugt - und der Jury die Wahl nicht leicht gemacht, sagte Walter, der mit drei weiteren Gremienmitgliedern die Entscheidung fällen musste.
Die Siegerinnen erfüllten die internationalen Kriterien am besten, so Walter. Dazu gehöre die Persönlichkeit, speziell Lebensfreude, öffentliches Auftreten, Umgang mit den Medien, ein echtes Interesse an Mathe, Ingenieur-, Naturwissenschaften und Technik (MINT) und Loyalität zum Raumfahrtprogramm der Deutschen. Wichtig sei zudem, dass die Frauen sowohl im Team arbeiten könnten als auch Führungsstärke bewiesen. "Gesucht werden heute Personen, die mitten im Leben stehen", so Walter.
Die Kür fand im Beisein der Bundeswirtschaftsministerin und nationalen Raumfahrtkoordinatorin Brigitte Zypries statt. Sie würdigte die Frauen als "sechs großartige Rolemodels". Zypries hofft, dass die Siegerinnen und die Kandidatinnen mehr Mädchen für die MINT-Fächer begeistern können.
Hinter der privaten Initiative "Die Astronautin" steckt Claudia Kessler, Top-Managerin einer auf die Raumfahrtbranche spezialisierten Personalvermittlung, die unter anderem die Europäische Weltraumorganisation (Esa) mit Fachkräften versorgt. Sie selbst habe immer den Traum gehabt, ins All zu fliegen, sagte sie bei der Verleihung. Nun will sie einer anderen Frau die Möglichkeit geben.
Allerdings ist die Finanzierung noch nicht abschließend geklärt. "Der große Teil, die 40 Millionen Euro müssen noch kommen", so Kessler. Von wem, ist noch offen. Bis zur Preisverleihung hatte die Initiative 27.000 Euro durch eine Crowdfunding-Kampagne eingenommen.
Deutsche im All: Elf Männer, bisher keine Frau
Die Siegerinnen bleiben so vorerst weiter in ihrem Beruf, die Ausbildung absolvieren sie nebenbei: Mitte des Jahres solle das maßgeschneiderte Training beginnen, erklärte Kessler vor der Kür.
Die vier weiteren Kandidatinnen der Endrunde bleiben übrigens im Spiel. Falls eine der Siegerinnen ausfällt, wird nachnominiert. Worin die Hauptsorge bei sechs Frauen im Alter von 28 bis 37 Jahren besteht, ist klar: "Schwangerschaften sind jetzt Tabu für die nächsten drei Jahre?", fragt ein Journalist nach der Kandidatinnenkür. "War das eine Frage oder ein Statement?", kontert die Moderatorin. Die Kandidatinnen sparen sich eine direkte Antwort. Das sei ihnen zu 1950.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Die Siegerinnen: Insa Thiele-Eich und Nicola Baumann haben sich im Finale der Initiative "Die Astronautin" gegen vier weitere Kandidatinnen durchgesetzt.
Die zwei Trainees vor dem Brandenburger Tor: Mindestens zwei Jahren sollen sie zu den ersten deutschen Raumfahrerinnen ausgebildet werden. Wer dann tatsächlich zur ISS fliegt, wird erst später entschieden.
Die sechs Kandidatinnen der Endrunde: Eine Kampfpilotin, zwei Ingenieurinnen, eine Raumfahrttechnikerin, eine Astrophysikerin und eine Meteorologin standen zur Wahl. Sie hatten sich gegen zahlreiche Kandidatinnen durchgesetzt.
Die Ausschreibung der privaten Initiative "Die Astronautin" vor gut einem Jahr war ein großer Erfolg: 400 Frauen bewarben sich, 86 wurden zum Auswahltest eingeladen.
Siegerin Insa Thiele-Eich: Die 33-Jährige hat in Bonn Meteorologie studiert und arbeitet am Institut der Universität Bonn an einer Verbesserung der Wetter- und Klimavorhersage. Parallel untersucht sie in ihrer Doktorarbeit die Auswirkungen des Klimawandels auf Bangladesch.
Siegerin Nicola Baumann: Die 31-Jährige ist "Eurofighter"-Pilotin bei der Bundeswehr, trägt dort den Dienstgrad Major und ist unter anderem für die Luftraumüberwachung in Deutschland und befreundeten Nato-Staaten zuständig. Neben ihrer Ausbildung zur Kampfflugzeugpilotin hat sie ein Fernstudium in Maschinenbau absolviert.
Als bisher letzte Astronautin der Europäischen Raumfahrtagentur Esa war die Italienerin Samantha Cristoforetti auf der ISS. Sie hat dort insgesamt 199 Tage verbracht. Die auserwählte deutsche Astronautin wird dort erst mal nur zehn Tage bleiben dürfen.
Claudia Kessler ist die Initiatorin des Projekts "Die Astronautin". Sie will 40 Millionen Euro von Sponsoren auftreiben, um den Flug zu finanzieren. "Wir wollen beweisen, dass es in Deutschland hochqualifizierte und top ausgebildete Kandidatinnen gibt, auf die wir stolz sein können", sagt sie. Via Crowdfunding hat sie bis zur Kür der Gewinnerin knapp 27.000 Euro eingeworben.
Die Siegerinnen: Insa Thiele-Eich und Nicola Baumann haben sich im Finale der Initiative "Die Astronautin" gegen vier weitere Kandidatinnen durchgesetzt.
Die Siegerinnen: Insa Thiele-Eich und Nicola Baumann haben sich im Finale der Initiative "Die Astronautin" gegen vier weitere Kandidatinnen durchgesetzt.
Sigmund Jähn (ein Flug, fast acht Tage im All): Der NVA-Militärpilot aus dem Vogtland war der erste Deutsche im All. Im August 1978 startete er in der sowjetischen Kapsel "Sojus 31" ins All - und umkreiste in der Raumstation "Saljut 6" 125 Mal die Erde. Bei der Rückkehr Jähns gab es Probleme. Der Fallschirm löste sich nicht von der Kapsel, die daraufhin durch die Steppe geschleift wurde. Jähn erlitt einen Wirbelsäulenschaden. Nach der Wende arbeitete er weiter als Berater im Raumfahrtbereich.
Ulf Merbold (drei Flüge, fast 50 Tage im All): Ende November 1983 flog Merbold als erster Nicht-US-Bürger mit einem Space Shuttle ins All, als Nutzlastspezialist bei der Mission mit dem Kürzel STS-9. Neun Jahre später, im Januar 1992, durfte Merbold dann wieder für eine Woche im Shuttle fliegen, auf der Mission STS-42. Sein letzter Aufenthalt im All war gleichzeitig der längste. Einen Monat lang war Merbold im Herbst 1994 Gast auf der russischen Raumstation "Mir".
Ernst Messerschmid (ein Flug, sieben Tage im All): Er war außer Furrer der zweite Deutsche an Bord der "D1"-Mission, des ersten von Deutschland finanzierten Flugs des Raumlabors "Spacelab" an Bord der "Challenger". Nach seiner Rückkehr lehrte er unter anderem an der Uni Stuttgart und war zeitweise Leiter des Esa-Astronautenzentrums in Köln.
Hans Schlegel (zwei Flüge, fast 23 Tage im All): Der erste Flug des Physikers war ein deutsches Doppel. Ende April 1993 ging es zusammen mit Ulrich Walter an Bord des Shuttles "Columbia" für zehn Tage ins All. 13 Jahre später durfte Schlegel noch einmal in ein Shuttle zurückkehren - und zur ISS fliegen. Bei diesem Flug, der Mission "STS 122", brachte er das europäische Labor "Columbus" ins All. Schlegel ist mit einer früheren Kollegin verheiratet. Seine Frau Heike Walpot war ebenfalls Astronautin, durfte aber nie in den Weltraum.
Ulrich Walter (ein Flug, fast zehn Tage im All): Zusammen mit Hans Schlegel war der Physiker Walter im Frühjahr 1993 für fast zehn Tage im Weltraum. Die meisten Experimente der "D2"-Mission befassten sich mit Biologie und Materialwissenschaften. Nach seiner Rückkehr arbeitete er unter anderem beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und bei IBM. Seit dem Frühjahr 2003 ist er Lehrstuhlinhaber an der TU München.
Thomas Reiter (zwei Flüge, mehr als 350 Tage im All): Er ist der Rekordhalter; länger als Reiter war kein Deutscher im All. Zum ersten Mal hob er im September 1995 ab, an Bord des russischen Transporters "Sojus TM-22". Er war Teil der 20. Langzeitbesatzung der "Mir". Seine zweite Reise unternahm er mit der Shuttle-Mission "STS-121" zur Internationalen Raumstation ISS. Auch auf dieser Station war er Langzeitgast für 166 Tage. Später war Reiter im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), dann Esa-Direktor für bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb.
Reinhold Ewald (ein Flug, fast 20 Tage im All): Mit dem russischen Transporter "Sojus TM-25" flog Ewald im Februar 1997 zur russischen Raumstation "Mir". Während seines Aufenthalts dort brach auf der Station ein Brand in einem Sauerstoffgenerator aus. Die Besatzung konnte das Feuer aber gerade noch rechtzeitig löschen.
Gerhard Thiele (ein Flug, elf Tage im All): Mit der Mission "STS-99" flog er im Februar 2000 ins All. Bei der Mission wurden 80 Prozent der Erdoberfläche kartiert. Nach dem Flug arbeitete er eine Zeit lang für die Nasa, später wurde er Chef des Astronautenzentrums der Esa in Köln.
Alexander Gerst (ein Flug, mehr als 165 Tage im All): Der Geophysiker gehört zur aktuellen Astronautenklasse der Esa. Im Jahr 2014 war er für die Mission "Blue Dot" auf der ISS - und damit der dritte Deutsche auf der Station. Bei einem Außeneinsatz half er, eine defekte Kühlpumpe auszutauschen.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit