Flüssiger Wasserstoff, Ammoniak oder LOHC – was spricht für welchen H2-Träger?

2022-06-18 16:41:52 By : Fuliang Qu

LNG-Terminal-Projekte bestimmen im Hinblick auf die künftige Gasversorgung derzeit die Diskussion. Doch in Brunsbüttel und Rotterdam sollen auch solche für Ammoniak entstehen. Doch es gibt auch noch weitere Wasserstoff-Träger – und alle haben Vor- und Nachteile.

Der Elbehafen Brunsbüttel könnte mit LNG- und Ammoniak-Terminal zum wichtigen Importstandort für grüne Energie werden. (Bild: Brunsbüttel Ports)

Als im Januar 2022 die Suioso Frontier im australischen Hastings anlegte, sorgte die Fahrt des lediglich 110 m langen Tankschiffs für großes Aufsehen: Denn die „riesige Thermoskanne“ hatte sich aufgemacht, erstmals flüssigen Wasserstoff von Australien ins japanische Kobe zu transportieren: 1.250 m3 Wasserstoff in einem vakuumisolierten Tank auf -253 °C gekühlt und dadurch auf ein Achthundertstel seines ursprünglichen Volumens reduziert. Allein diese wenigen Fakten lassen erahnen, wie groß der Aufwand ist, um eine vergleichsweise kleine Menge des Energieträgers und Chemierohstoffs zu transportieren.

Auch deshalb ist neben grünem Wasserstoff inzwischen auch grünes Ammoniak in aller Munde. Es spielt für die zukünftige Wasserstoff-Wirtschaft eine immer größere Rolle, da Ammoniak eine höhere Energiedichte als flüssiger Wasserstoff besitzt und sich dadurch effizient zum Beispiel drucklos in Kryotanks transportieren und speichern lässt. Weil Ammoniak brennbar ist und auch in Brennstoffzellen direkt zu Strom umgesetzt werden kann, eignet sich die Chemikalie auch als Energieträger: Grünes Ammoniak könnte künftig als Schiffstreibstoff klimaschädliches Bunkeröl ersetzen. Ammoniak verbrennt zu Stickstoff und Wasser und ist selbst kein Klimagas. Deshalb ist aus grünem Wasserstoff synthetisiertes Ammoniak klimaneutral. Schätzungen zufolge könnte der Bedarf an Ammoniak als sauberem Schiffstreibstoff die heutige konventionelle NH3-Produktion um das Sechsfache übersteigen, falls die Antriebe weltweit umgestellt werden würden.

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Kein Wunder also, dass sich vor allem Seehäfen als Ausgangspunkte für eine Ammoniak-Infrastruktur eignen. So sollen in dem von RWE in Brunsbüttel geplanten Terminal ab 2026 jährlich rund 300.000 t grünes Ammoniak in Deutschland ankommen und an Kunden weiterverteilt werden. Der Hafenbetreiber Brunsbüttel Ports unterstützt das Vorhaben mit Fläche sowie als Logistikpartner mit Hafeninfrastruktur zur Entladung der Tankschiffe.

Auch in dem jüngst vom Gasnetzbetreiber Gasunie, dem Logistiker Vopak und dem Terminal-Betreiber HES International vorgestellten Terminal-Projekt für Rotterdam geht es um den Import von grünem Ammoniak. Dieses soll für die Schifffahrt, aber auch als Rohstoff zum Beispiel zur Düngemittelproduktion eingesetzt werden. Zudem ist eine Regasifizierung des Wasserstoffs und die Einspeisung in das europäische Leitungsnetz geplant.

Doch was steckt technisch hinter grünem Ammoniak? Das bei Umgebungstemperatur farblose Gas wird per katalytischer Synthese aus abgetrenntem Luftstickstoff und grünem Wasserstoff hergestellt. Bei der Elektrolyse von Wasserstoff aus Wind- oder Solarstrom beträgt der Wirkungsgrad je nach Verfahren 70 bis 90 %. Die Umsetzung zu Ammoniak bedeutet weitere Verluste; der Gesamtwirkungsgrad bis zur Rückverstromung – beispielsweise in einem Dampfkraftwerk, liegt bei lediglich 55 bis 60 %. D. h. eigentlich wäre es deutlich günstiger, erneuerbare Energien direkt zu verwenden, oder nur in Form von Wasserstoff zu speichern.

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Allerdings sprechen die einfachere Handhabung, der Transport und die Speicherung der Energie in Form von Ammoniak für diesen Weg. Aufgrund seiner geringen Entflammbarkeit ist die Explosionsgefahr zudem niedriger als bei Wasserstoff. Da Ammoniak bei 20 °C einen Dampfdruck von lediglich 8,6 bar hat und bereits bei -33 °C verflüssigt werden kann, sind die Anforderungen an Lagertanks deutlich geringer als bei Wasserstoff. Gleichzeitig ist die Energiedichte von Ammoniak bei Umgebungstemperatur deutlich höher als die von Wasserstoffgas bei denselben Bedingungen. Allerdings ist die Energiedichte lediglich halb so hoch (6,25 kWh/kg) wie die von Benzin (12,7 kWh/kg).

Kann das Ammoniak nicht direkt verwendet werden, weil tatsächlich Wasserstoff benötigt wird, ist ein weiterer Umwandlungsschritt notwendig: die Zersetzung von NH3 in Stickstoff und Wasserstoff. Das Problem: Auch dazu wird wieder Energie benötigt, weil der katalytische Prozess stark endotherm ist und aktuell bei Temperaturen um die 500 °C erfolgt. Aktuelle Forschungsansätze gehen dahin, die Wärme direkt im Katalysatorbett zu erzeugen und natürlich muss dazu erneuerbare Energie genutzt werden, damit der gefragte Wasserstoff tatsächlich auch grün bleibt.

Wie die Dekarbonisierung und der Trend zur Nachhaltigkeit den europäischen Anlagenbau verändern wird, ist Thema des kommenden Engineering Summit, der vom 20. bis 21. Juli 2022 in Darmstadt stattfinden wird. Unter dem Motto „Welcome to the new realities in plant engineering“ werden Führungskräfte aus dem europäischen Anlagenbau die aktuellen Entwicklungen der Branche diskutieren.

Im Zentrum steht die Frage, welche Chancen die globale Energietransformation für die Branche bietet. Denn klar ist: Ohne den verfahrenstechnischen Anlagenbau können Wasserstoff-Wirtschaft, Umstellung der Metallurgie-, Chemie- oder Zementindustrie auf grünen Strom und eine klimaneutrale Mobilität nicht gelingen. Gleichzeitig schaffen neue Verfahren und Prozesse enorme Chancen für technologie-getriebene Anlagenbau-Unternehmen, gleichzeitig allerdings auch enorme Herausforderungen im Hinblick auf eigene Investitionen zur Technologieentwicklung und Abwicklungskompetenz. Mehr Informationen unter www.engineering-summit.de

Eine Alternative zum Ammoniak als Wasserstoffträger sind sogenannte LOHC: Das Kürzel steht für „Liquid Organic Hydrogen Carrier“ und bezeichnet organische Substanzen, die Wasserstoff chemisch binden und damit speichern können. Der Clou: LOHC wie beispielsweise Dibenzyltoluol verhalten sich ähnlich wie konventionelle Kraftstoffe, wodurch vorhandene Infrastruktur genutzt werden kann.

Der organische Träger wird bei Drücken zwischen 30 und 50 bar katalytisch bei 150 bis 320 °C hydriert und damit „beladen“, wobei Wärme­energie frei wird. Nach dem Transport und der Lagerung wird das beladene LOHC wieder katalytisch dehydriert, wofür wiederum Wärmeenergie auf einem Temperaturniveau von 250 bis 320 °C benötigt wird. Das dehydrierte LOHC wird im Kreis geführt und kann wieder neu beladen werden.

Die Effizienz des LOHC-Kreislaufs hängt entscheidend davon ab, ob die bei der Hydrierung entstehende Wärme genutzt und wie die für die Dehydrierung benötigte Wärme bereitgestellt werden kann. Letzteres prädestiniert beispielsweise Chemiestandorte, an denen häufig niederkalorische Abwärme zur Verfügung steht. Aber auch die Transportwege spielen eine Rolle: Im Falle von Dibenzyltoluol können in einem Kubikmeter LOHC 57 kg Wasserstoff gespeichert werden – über lange Distanzen dürfte die Kreislaufführung von LOHC entsprechend unwirtschaftlich werden.

In unserem Fokusthema informieren wir Sie zu allen Aspekten rund um das Trendthema Wasserstoff.

Dennoch ist das Interesse an der Technologie groß. Aktuell hat der Energieversorger Uniper mit dem Öl- und Gaskonzern Adnoc (Vereinigte Arabische Emirate) ein Projekt gestartet, bei dem ein Wasserstofftransport per LOHC nach Deutschland untersucht werden soll. ( Hier gehts zur Meldung)Der H2-Träger spielt zudem im groß angelegten Wasserstoff-Projekt im Hamburger Hafen eine Rolle, das unter anderem von der Hamburg Port Authority gemeinsam mit Air Products vorangetrieben wird.

Bereits im vergangenen Jahr hatte der Kunststoffhersteller Covestro mit einem LOHC-Projekt Schlagzeilen gemacht, das im Chempark Dormagen realisiert werden soll: Gemeinsam mit dem Unternehmen LOHC Technologies soll ab 2023 Wasserstoff im LOHC Benzyltoluol gespeichert und die dabei freiwerdende Wärmeenergie in das Dampfnetz des Chemieparks eingespeist werden.

Auf die Nutzung bestehender Erdgas-Leitungen für den Transport von Wasserstoff, der dem Erdgas mit 5 bis 60 % zugemischt wird, zielt ein Projekt, das in Dormagen den Betrieb aufgenommen hat: Linde Engineering hat dort im Januar eine Demonstrationsanlage zur Entnahme von Wasserstoff aus Erdgasströmen in Betrieb genommen. Als weltweit erste Real-Scale-Anlage nutzt sie dazu eine Membrantechnologie von Evonik.

Der dabei wiedergewonnene Wasserstoff hat eine Konzentration von bis zu 90 %. Die Membrantechnologie könnte beim Aufbau einer effizienten Wasserstoffinfrastruktur weltweit eine wichtige Rolle spielen.

Eine dritte Möglichkeit ist der Transport von Wasserstoff in Form von Methanol, das zuvor aus grünem Wasserstoff und Kohlendioxid aus der Luft bzw. aus Abgasströmen fossiler Verbrennungsprozesse gewonnen wird. Auch Methanol lässt sich einfach transportieren. Weil bei der „Entladung“ des Methanols allerdings wieder gasförmiges Kohlendioxid entsteht, das in der Regel nicht wirtschaftlich im Kreis geführt werden kann, bleibt die Gesamtbilanz nur dann „grün“, wenn das zur Reaktion benötigte Kohlendioxid zuvor aus der Atmosphäre genommen wird – ein energieaufwendiger Prozess. Dennoch ist Methanol vor allem im Hinblick auf die Nutzung von E-Fuels in Verbrennungsmotoren ein interessanter Wasserstoff-Träger.

Fazit: Ammoniak gilt als derzeit wettbewerbsfähigstes Wasserstoffderivat mit dem technologisch höchsten Reifegrad zum Transport und zur Lagerung von grünem Wasserstoff. LOHC hat vor allem auf kurzen Strecken und bei cleverer Wärmeführung Vorteile. Doch die in der beschleunigten Energietransformation benötigten Mengen erfordern einen technologischen Kraftakt.

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