ISS: Eine dieser Frauen wird die erste deutsche Astronautin - DER SPIEGEL

2022-05-14 05:33:32 By : Mr. Sammy Chen

Deutschlands erste Astronautin: Eine dieser Frauen wird ins All fliegen

Sie haben stundenlang Tests am Computer gelöst, in Rollenspielen gezeigt, dass sie teamfähig sind, haben Blut-, Urin- und Ultraschalluntersuchungen über sich ergehen lassen. Jetzt trennt sie nur noch ein Bewerbungsgespräch von ihrem großen Traum: einer Reise zur Internationalen Raumstation ISS.

Sechs Frauen haben sich beim Auswahlverfahren einer privaten Initiative, die Deutschlands erste Astronautin ins All schicken will, gegen mehr als 400 andere durchsetzen können. Zwei von ihnen werden zur Raumfahrerin ausgebildet, eine soll 2020 zur ISS fliegen und dort zehn Tage verbringen.

Die Auserwählte fliegt allerdings nicht als Berufsastronautin zur ISS, sondern als "kommerzielle Astronautin" - mit anderen Worten: als Weltraumtouristin. Ihr Flug wird mit privatem Geld finanziert, die Initiative kalkuliert mit rund 40 Millionen Euro. Mindestens 50.000 Euro sollen mit einer Crowdfunding-Kampagne  finanziert werden, der Rest soll von Sponsoren kommen, die im Gegenzug von der PR der Astronautin, aber auch von ihren Experimenten im All profitieren könnten. Laut der Initiative haben mehrere Unternehmen schon ihre Unterstützung zugesagt.

Unter den sechs Finalistinnen sind eine Kampfpilotin, zwei Ingenieurinnen, eine Raumfahrttechnikerin, eine Astrophysikerin und eine Meteorologin. Die Jüngste ist 28, die Älteste 37 Jahre alt. Zusammen mit 80 anderen Bewerberinnen wurden sie zwei Tage lang in Hamburg und Köln vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf die Probe gestellt: Wie gut können sie sich konzentrieren? Wie steht es um Merkfähigkeit und räumliche Vorstellungskraft?

Deutschlands erste Astronautin: Eine dieser Frauen wird ins All fliegen

Mehr als die Hälfte der 86 Bewerberinnen, die zu den Auswahltests eingeladen worden waren, schied schon in der ersten Runde aus. "Das hat aber nichts mit mangelnden Fähigkeiten zu tun. Hochintelligent und bestens ausgebildet waren alle", sagt DLR-Ärztin Claudia Stern. Letztlich seien Feinheiten ausschlaggebend gewesen - die übrigens bei Berufsastronauten noch strenger bewertet würden.

"Wer für sechs Monate oder länger ins All fliegen will, muss noch ganz andere Voraussetzungen mitbringen, beispielsweise eine besondere Knochendichte", sagt Stern. Außerdem seien für angehende Berufsastronauten auch invasive Untersuchungen wie Magen- und Darmspiegelungen vorgeschrieben. Den Frauen, die sich für den Zehn-Tages-Trip zur ISS beworben habe, blieb das erspart. Aber auch sie mussten sich drei Tage lang von morgens bis abends von Ärzten durchchecken lassen.

Welche zwei Bewerberinnen zum Astronautentraining nach Russland oder in die USA reisen dürfen, soll eine Jury der Initiative im April entscheiden. Ihr Votum ist jedoch unter Vorbehalt: Denn es wartet dann noch ein weiterer medizinischer Test auf die beiden. Nur die zwei Auserwählten werden mit Röntgenstrahlen durchleuchtet, damit "niemand unnötig der Strahlung ausgesetzt wird", erklärt Stern die nachgelagerte Untersuchung. Nur wenn auch dieser letzte Test positiv ausgeht, haben sie es geschafft, ansonsten kämen Nachrückerinnen zum Zuge.

Die Röntgenuntersuchung gehört zur Standardvoraussetzung für Weltraumtouristen. Auf diese haben sich die an der ISS beteiligten Weltraumorganisationen geeinigt, um möglichst sicher zu gehen, dass im All niemand krank wird. Die medizinischen Untersuchungen seien deutlich strenger als zum Beispiel für angehende Piloten, so Stern, "aber es ist auch nicht so, dass nur Überfrauen bestehen können".

Hinter der Initiative steckt Claudia Kessler, Top-Managerin einer auf die Raumfahrtbranche spezialisierten Personalvermittlung, die unter anderem die Europäische Weltraumorganisation (Esa) mit Fachkräften versorgt. Eine Astronautin könnte zum Vorbild für junge Frauen avancieren, die sich für naturwissenschaftliche und technische Themen interessieren, hofft sie.

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Die Ausschreibung war ein großer Erfolg: 400 Frauen bewarben sich, 86 wurden zu Auswahltests eingeladen. Sechs konnten sich durchsetzen, darunter ...

Magdalena Pree, 28. Sie hat Luft- und Raumfahrttechnik an der TU München studiert und sich in ihrer Abschlussarbeit mit Eigenschaften von Raumanzügen für Außenbordeinsätze auf der ISS auseinandergesetzt. Den Motorflugschein hat sie schon mit 17 Jahren gemacht. Sie arbeitet im DLR-Satellitenkontrollzentrum.

Suzanna Randall, 37, ist Astrophysikerin und forscht an der Europäischen Südsternwarte in Garching bei München unter anderem zur Evolution von Sternen. Sie hat Astronomie an der Universität London studiert und an der Universität Montreal in Kanada promoviert.

Insa Thiele-Eich, 33, hat in Bonn Meteorologie studiert und arbeitet am Institut der Universität Bonn an einer Verbesserung der Wetter- und Klimavorhersage. Parallel untersucht sie in ihrer Doktorarbeit die Auswirkungen des Klimawandels auf Bangladesch.

Die drei haben im DLR-Zentrum in Hamburg ihre Konzentrationsfähigkeit und ihre räumliche Vorstellungskraft bewiesen. Mehr als die Hälfte der 86 Bewerberinnen schied schon in dieser Runde aus.

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Nicola Baumann, 31. Sie ist Eurofighter-Pilotin bei der Bundeswehr, trägt dort den Dienstgrad Major und ist unter anderem für die Luftraumüberwachung in Deutschland und befreundeten NATO-Nationen zuständig. Neben ihrer Ausbildung zur Kampfflugzeugpilotin hat sie ein Fernstudium in Maschinenbau absolviert.

Susanne Peters, 31, ist Ingenieurin der Luft- und Raumfahrttechnik und promoviert an der Universität der Bundeswehr in München. Sie arbeitet an einem Konzept zur Entfernung von Raketenelementen und Weltraummüll aus dem Orbit.

Lisa Marie Haas, 33, hat Physik in Heidelberg studiert und arbeitet als Entwicklungsingenieurin und Teilprojektleiterin bei der Robert Bosch GmbH in Reutlingen. Sie ist spezialisiert auf die Aufbau- und Verbindungstechnik für Sensoren zum Beispiel in Handys, Tablets oder Spielekonsolen.

Als bisher letzte Astronautin der Europäischen Raumfahrtagentur Esa war die Italienerin Samantha Cristoforetti auf der ISS. Sie hat dort insgesamt 199 Tage verbracht. Die deutsche Astronautin wird dort erst mal nur zehn Tage bleiben dürfen.

Claudia Kessler ist die Initiatorin des Projekts "Die Astronautin". Sie will 40 Millionen Euro von Sponsoren auftreiben, um den Flug zu finanzieren. "Wir wollen beweisen, dass es in Deutschland hochqualifizierte und top ausgebildete Kandidatinnen gibt, auf die wir stolz sein können", sagt sie.

Suzanna Randall, 37, ist Astrophysikerin und forscht an der Europäischen Südsternwarte in Garching bei München unter anderem zur Evolution von Sternen. Sie hat Astronomie an der Universität London studiert und an der Universität Montreal in Kanada promoviert.

Suzanna Randall, 37, ist Astrophysikerin und forscht an der Europäischen Südsternwarte in Garching bei München unter anderem zur Evolution von Sternen. Sie hat Astronomie an der Universität London studiert und an der Universität Montreal in Kanada promoviert.

Sigmund Jähn (ein Flug, fast acht Tage im All): Der NVA-Militärpilot aus dem Vogtland war der erste Deutsche im All. Im August 1978 startete er in der sowjetischen Kapsel "Sojus 31" ins All - und umkreiste in der Raumstation "Saljut 6" 125 Mal die Erde. Bei der Rückkehr Jähns gab es Probleme. Der Fallschirm löste sich nicht von der Kapsel, die daraufhin durch die Steppe geschleift wurde. Jähn erlitt einen Wirbelsäulenschaden. Nach der Wende arbeitete er weiter als Berater im Raumfahrtbereich.

Ulf Merbold (drei Flüge, fast 50 Tage im All): Ende November 1983 flog Merbold als erster Nicht-US-Bürger mit einem Space Shuttle ins All, als Nutzlastspezialist bei der Mission mit dem Kürzel STS-9. Neun Jahre später, im Januar 1992, durfte Merbold dann wieder für eine Woche im Shuttle fliegen, auf der Mission STS-42. Sein letzter Aufenthalt im All war gleichzeitig der längste. Einen Monat lang war Merbold im Herbst 1994 Gast auf der russischen Raumstation "Mir".

Ernst Messerschmid (ein Flug, sieben Tage im All): Er war außer Furrer der zweite Deutsche an Bord der "D1"-Mission, des ersten von Deutschland finanzierten Flugs des Raumlabors "Spacelab" an Bord der "Challenger". Nach seiner Rückkehr lehrte er unter anderem an der Uni Stuttgart und war zeitweise Leiter des Esa-Astronautenzentrums in Köln.

Hans Schlegel (zwei Flüge, fast 23 Tage im All): Der erste Flug des Physikers war ein deutsches Doppel. Ende April 1993 ging es zusammen mit Ulrich Walter an Bord des Shuttles "Columbia" für zehn Tage ins All. 13 Jahre später durfte Schlegel noch einmal in ein Shuttle zurückkehren - und zur ISS fliegen. Bei diesem Flug, der Mission "STS 122", brachte er das europäische Labor "Columbus" ins All. Schlegel ist mit einer früheren Kollegin verheiratet. Seine Frau Heike Walpot war ebenfalls Astronautin, durfte aber nie in den Weltraum.

Ulrich Walter (ein Flug, fast zehn Tage im All): Zusammen mit Hans Schlegel war der Physiker Walter im Frühjahr 1993 für fast zehn Tage im Weltraum. Die meisten Experimente der "D2"-Mission befassten sich mit Biologie und Materialwissenschaften. Nach seiner Rückkehr arbeitete er unter anderem beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und bei IBM. Seit dem Frühjahr 2003 ist er Lehrstuhlinhaber an der TU München.

Thomas Reiter (zwei Flüge, mehr als 350 Tage im All): Er ist der Rekordhalter; länger als Reiter war kein Deutscher im All. Zum ersten Mal hob er im September 1995 ab, an Bord des russischen Transporters "Sojus TM-22". Er war Teil der 20. Langzeitbesatzung der "Mir". Seine zweite Reise unternahm er mit der Shuttle-Mission "STS-121" zur Internationalen Raumstation ISS. Auch auf dieser Station war er Langzeitgast für 166 Tage. Später war Reiter im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), dann Esa-Direktor für bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb.

Reinhold Ewald (ein Flug, fast 20 Tage im All): Mit dem russischen Transporter "Sojus TM-25" flog Ewald im Februar 1997 zur russischen Raumstation "Mir". Während seines Aufenthalts dort brach auf der Station ein Brand in einem Sauerstoffgenerator aus. Die Besatzung konnte das Feuer aber gerade noch rechtzeitig löschen.

Gerhard Thiele (ein Flug, elf Tage im All): Mit der Mission "STS-99" flog er im Februar 2000 ins All. Bei der Mission wurden 80 Prozent der Erdoberfläche kartiert. Nach dem Flug arbeitete er eine Zeit lang für die Nasa, später wurde er Chef des Astronautenzentrums der Esa in Köln.

Alexander Gerst (ein Flug, mehr als 165 Tage im All): Der Geophysiker gehört zur aktuellen Astronautenklasse der Esa. Im Jahr 2014 war er für die Mission "Blue Dot" auf der ISS - und damit der dritte Deutsche auf der Station. Bei einem Außeneinsatz half er, eine defekte Kühlpumpe auszutauschen.

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