Forschende stellen fest, dass Mondgestein bei der Herstellung von Sauerstoff helfen kann – eine wichtige Entdeckung auf dem Weg zur nächsten Mondlandung.
Nanjing – Verlassen Menschen die Erde, haben sie ein Problem: Sie müssen Sauerstoff mit sich führen, um im Weltall oder auf fremden Himmelskörpern überleben zu können. Für mehrtägige Ausflüge ins Weltall ist das beherrschbar, wie bereits die „Apollo“-Mondlandungen in den 1960er und 1970er Jahren zeigten. Doch die künftigen Mondlandungen sollen nach Angaben der US-Raumfahrtorganisation Nasa „nachhaltig“ sein – man möchte nicht mehr alle Vorräte, die man benötigt, mitbringen müssen. Hintergrund ist, dass Fracht in der Raumfahrt teuer ist und man in der Regel nur wenig Platz zur Verfügung hat.
Da kommt eine neue Studie aus China, die im Fachjournal Joule veröffentlicht wurde, gerade zur richtigen Zeit: Forschende an der Universität von Nanjing haben Mondgestein untersucht, das die chinesische Raumsonde „Chang‘e 5“ Ende 2020 auf dem Mond eingesammelt und zurück zur Erde gebracht hat. Die Forschenden um die Materialwissenschaftler Yingfang Yao und Zhigang Zou stellten fest, dass die Gesteinsprobe vom Mond Verbindungen enthält, die als Katalysator zur Herstellung von Produkten wie Sauerstoff aus Sonnenlicht und Kohlendioxid dienen könnten – und zwar vor Ort, auf dem Mond.
Basierend auf dieser Beobachtung schlägt das Forschungsteam eine „extraterrestrische Fotosynthese-Strategie“ vor: Auf dem Mond gewonnenes Wasser (Wasser wurde unter anderem am Mondsüdpol und in schattigen Tälern entdeckt) könnte mithilfe des Mondbodens und Sonnenlicht per Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff umgewandelt werden. Das Kohlendioxid, das die Astronautinnen und Astronauten auf dem Mond ausatmen, könnte so ebenfalls nutzbar gemacht werden: Wird es mit dem Wasserstoff, der zuvor entstanden ist, kombiniert, entsteht Methan, das als Treibstoff genutzt werden kann, schlagen die Forschenden vor.
„Wir nutzen Umweltressourcen vor Ort, um die Nutzlast der Rakete zu minimieren, und unsere Strategie bietet ein Szenario für eine nachhaltige und erschwingliche extraterrestrische Lebensumgebung“, betont Yingfang Yao in einer Mitteilung zur Studie. Ein Vorteil der chinesischen Idee: Für die Elektrolyse wird keine externe Energiequelle benötigt, nur Sonnenlicht wird dafür eingesetzt. Der Nasa-Rover „Perseverance“ erprobt derzeit auf dem Mars eine neue Technologie, die Sauerstoff aus der Mars-Atmosphäre produziert – dazu wird jedoch eine Nuklearbatterie als externe Energiequelle benötigt.
Derzeit testen die chinesischen Forschenden verschiedene Ansätze zur Verbesserung des Designs, beispielsweise das Schmelzen des Mondgesteins zu einem Material, das ein besserer Katalysator ist. Gleichzeitig ist das Team auf der Suche nach einer Möglichkeit, das System im Weltall zu testen – möglicherweise bei einer künftigen chinesischen Mission zum Mond. China plant, gemeinsam mit Russland eine Forschungsstation auf dem Mond aufzubauen und zu betreiben.
„In naher Zukunft werden wir eine rasante Entwicklung der bemannten Raumfahrt erleben“, betont Yao in der Mitteilung zu seiner Studie. „Ähnlich wie im ‚Zeitalter der Segelschiffe‘ um 1600, als Hunderte von Schiffen zur See fuhren, werden wir in ein ‚Zeitalter des Weltraums‘ eintreten“, glaubt der Materialforscher und fährt fort: „Wenn wir die extraterrestrische Welt in großem Maßstab erforschen wollen, müssen wir uns überlegen, wie wir die Nutzlast reduzieren können, das heißt, so wenig wie möglich auf Vorräte von der Erde zurückgreifen und stattdessen extraterrestrische Ressourcen nutzen.“
Am 16. Mai 2022 kann man früh am Morgen eine totale Mondfinsternis beobachten.
Es scheint, als hätten die chinesischen Forschenden mit ihrer Arbeit einen Schritt in diese Richtung getan. Auch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten an der sogenannten „In-Situ Ressource Utilization“ (ISRU), also der Nutzung der Ressourcen vor Ort. So haben Forschende beispielsweise festgestellt, dass Astronautinnen und Astronauten ihre eigenen Körperflüssigkeiten – von Schweiß und Tränen bis hin zu Urin und Blut – nutzen könnten, um damit auf dem Mond oder Mars Beton herzustellen. Die Forschung dürfte sich lohnen: Der Transport eines einzigen Ziegelsteins zum Mars kostet etwa 1,7 Millionen Euro, haben Fachleute 2017 ermittelt. (tab)
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